„Was wir fürch­ten, schütz­en wir nicht“

Haischutz geht alle an, sagt Gerhard Wegner, Gründer des Vereins Sharkproject. Wie er den Verein aufbaute und warum eine Imagekorrektur für Haie sein wichtigstes Ziel ist, erklärt er im Interview.

Text: Julian Stutz

Illustration: Lena Schindler

Verein: Sharkproject e.V.


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Wie sind Sie auf die Idee gekommen, einen Verein zum Schutz von Haien zu gründen?

Da kamen zwei Dinge zusammen: Meine Faszination für das Tier und der Hormonumschwung bei Männern über 50. Ich fragte mich damals, ob ich nicht noch was Großes anpacken müsste. Bei mir lag die Antwort auf diese Sinnfrage im Engagement für Haie, weil mich diese Tiere schon lange begeistern.

Woher kommt diese Faszination?

 Ich glaube, alle großen Raubtiere faszinieren den Menschen. Bei mir begann das so richtig, als ich vor gefühlten Ewigkeiten anfing zu tauchen und direkt mit den Tieren in Berührung kam. Ich erstarrte vor Angst, als ich meinen ersten Hai sah. Es war ein harmloser Riffhai, aber das wusste ich damals nicht. Erleichtert atmete ich auf, als er verschwand.

Seitdem habe ich rund 1.500 Tauchgänge gezielt mit Haien unternommen. Darunter auch einige freitauchend mit Weißen Haien. Niemals fühlte ich mich bedroht. Im Gegenteil. Das, was ich unter Wasser erlebte, passte so gar nicht mit dem zusammen, was in Büchern und Zeitungen steht oder was in Spielfilmen gezeigt wird.

„Zum Zeitpunkt der Gründung war mir ziemlich klar: Haie brauchen eine Imagekorrektur, bei der Aufklärung die Basis für alles ist.“

Wie sind Sie im Aufbau des Vereins vorgegangen?

 Ich traf mich ein Jahr lang weltweit mit aktiven Haischützern. Mir wurde klar, dass es nicht nur um den Hai an sich geht. Er ist Teil einer empfindlichen Nahrungspyramide, die für die Weltmeere extrem wichtig ist. So gesehen ist Haischutz also auch Meeresschutz. Wer den König schützt, schützt auch sein Reich.

Wie wollen Sie dazu mit Ihrem Verein beitragen?

Auch das war zum Zeitpunkt der Gründung ziemlich klar: Haie brauchen eine Imagekorrektur, bei der Aufklärung die Basis für alles ist. Niemand schützt etwas, vor dem er sich fürchtet.

Wie gehen Sie konkret gegen das Killerimage an, das Haien unter anderem dank Filmen von „Der weiße Hai“ bis „Sharknado“ anhaftet?

Das geschieht auf vielerlei Arten, zum Beispiel über Bücher und Publikationen. Ich selbst habe in den letzten 15 Jahren ebenso viele Bücher über das Thema geschrieben. Zudem veranstalten wir Vorträge, sind auf Messen und Events und gehen in die Schulen. Kinder ticken anders, gehen ganz anders an das Thema heran und können Eltern überzeugen. Mit einer Reihe von Kinderbüchern zeigen wir: Der Hai ist ein ganz normales Tier und kein Monster. Ein Räuber ja, aber kein Monster.

Was sind die größten Bedrohungen, denen Haie heutzutage ausgesetzt sind?

Da gibt es zwei große Bereiche: die gezielte Jagd und der exzessive Fischfang. Bei Ersterem geht es um Haiflossen. Die sind inzwischen mit das Wertvollste, was man aus dem Meer holen kann, und sind so etwas wie das rote Gold des Meeres. Ganze Flotten gehen nur auf die Jagd nach Haiflossen. Sie schneiden die Flossen ab und werfen den meist noch lebenden Hai zurück ins Meer — zum Sterben.

Das noch größere Problem ist aber die Überfischung. Haie wandern regelmäßig weite Strecken. Sie begegnen dabei Milliarden von Haken und Hunderten Quadratkilometern von Netzen.

„Haischutz ist Meeresschutz.
Wer den König schützt, schützt auch sein Reich.“

Angesichts dieser dramatischen Tatsachen: Was haben Sie mit Sharkproject in den 15 Jahren des Vereins erreicht?

Viel und gleichzeitig wenig. Umfragen zeigen, dass gerade in Deutschland ein Umdenken stattfindet. Die Leute assoziieren Haie nun eher mit etwas Schützenswertem als mit brutalen Killern. Aber Deutschland ist nicht die Welt. Weltweit geht die Ausrottung der Tiere weiter. Wenn wir jedoch aufhören, haben wir schon verloren. Deshalb organisieren wir uns gerade neu und nehmen zusätzlich zu Deutschland, Österreich und der Schweiz weitere Länder in unsere Organisation auf. Außerdem arbeiten wir an der Gründung einer Shark-Föderation mit 50 Organisationen weltweit.

Lässt sich das mit einem Verein mit 300 ehrenamtlichen Mitgliedern überhaupt stemmen?

Wir waren von Anfang an ehrenamtlich organisiert und wollen das so weit wie möglich auch bleiben. Der Grund liegt darin, dass so eine Arbeit aus persönlicher Motivation heraus passieren muss. Wer bezahlt wird, aber demotiviert ist, der nützt mir nichts auf einer Position, selbst wenn er jeden Tag acht Stunden arbeitet. Da schafft ein motivierter ehrenamtlicher Kollege, der hinter der Sache steht, in drei Stunden deutlich mehr.

Der Haischutz-Pionier

Gerhard Wegner ist Gründer der Hai- und Meeres­schutz­organisation Sharkproject International e. V. Er taucht seit 40 Jahren und hat dabei rund 1.500 spezielle Haitauchgänge erlebt, bei denen das Kennenlernen der Tiere im Vordergrund stand.

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Eine Meinung zu “„Was wir fürch­ten, schütz­en wir nicht“

  1. Ich liebe diesen Kuschelhai, den man mit der Maus anstupsen kann! Aber man sieht deutlich, dass Haie einfach unbeliebt sind: das ist der Artikel mit den allerwenigsten Herzchen. Jedes andere EVAU-Thema – sogar der Nazi-Artikel – hat mehr bekommen.

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